Agile Methoden machen Führungskräfte überflüssig?

Welche Auswirkungen haben agile Arbeitsweisen auf Unternehmensstrukturen?

… zumindest Führungskräfte im herkömmlichen Sinn.

Das Buzzword „agil“ ist derzeit in aller Munde und verbreitet mal Euphorie als „Allheilmittel für alle Probleme“ und mal Schrecken. Der Schrecken rührt daher, dass Agilität oft nicht (richtig) umgesetzt wird – aber unter dem Deckmantel „agil“ weiterzumachen wie bisher degradiert einen sinnvollen Ansatz zu einer Ausrede. Die unbequeme Wahrheit für viele Führungskräfte ist, dass die agile Transformation Führung, wie sie in vielen Unternehmen gelebt wird, abschafft.  

Warum sollten Sie dennoch auf agile Methoden setzten? 

Agile Methoden schaffen etwas, was Unternehmen, die klassisch hierarchisch aufgebaut sind, nicht schaffen: Nämlich Nähe zum Kunden. Dadurch, dass „Vermittler“ also ggf. Führungskräfte, Vertrieb etc. weitestgehend ausgeschaltet werden, rückt das Team näher an den Kunden – so können die wahren Pain Points des Kunden besser gelöst werden.  

Stellen Sie sich ein Unternehmen wie Uber vor: Die Taxi-Zentrale entfällt, die Kunden bekommen schneller ein Taxi, die Mitarbeiter arbeiten weitestgehend selbstständig. Ermöglicht werden solche Entwicklungen durch die Digitalisierung. Agile Methoden beginnen analog, indem beim Kunden die Pain Points erfragt werden. Danach werden digitalisierte und automatisierte Ergebnisse entwickelt. 

Zu agilen Methoden gehören unter anderem Design Thinking, Lean Startup, SCRUM und Kanban. Agile Methoden werden als Lösung für Unternehmen gehandelt mit der modernen, der sogenannten VUCA Welt, umzugehen. Was das ist?

VUCA steht als Akronym für: Volatility (Flüchtigkeit), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität), Ambiguity (Mehrdeutigkeit).

Diese vier Merkmale beschreiben die moderne Arbeitswelt und kennzeichnen gleichzeitig Herausforderungen, vor denen viele Unternehmen stehen.

Agile Methoden sind dann sinnvoll einzusetzen, wenn die Unternehmensrealität genau vor diesen Merkmalen gekennzeichnet ist. Sie bieten einen Rahmen mit unklaren Anforderungen, Komplexität und sich schnell ändernden Rahmenbedingungen umzugehen.

Agiles Manifest

Das agile Manifest ist die Grundlage aller agilen Methoden. Ursprünglich aus der Software Entwicklung stammend, wurde es 2001 von mehreren Autoren, unter anderem Ken Schwaber & Jeff Sutherland, verfasst.

Es besagt, dass

  • Individuum und Interaktion wichtiger als Prozesse und Werkzeuge sind
  • Funktionierende Produkte mehr als umfassende Dokumentation sind
  • Zusammenarbeit mit dem Kunden mehr als Vertragsverhandlungen geschätzt wird
  • Reagieren auf Veränderungen wichtiger als des Befolgen eines Plans ist
 

Was bedeutet das für die Führung in Organisationen?

Klassische Unternehmensstrukturen eignen sich für ein stabiles Umfeld, in denen Scopes klar definiert werden können und Aufgaben zwar kompliziert, aber analysierbar sind. Führung bedeutet in diesem Umfeld Ziele zu setzen, zu organisieren, Entscheidungen zu treffen und die Zielerreichung zu kontrollieren. Im klassischen Management spricht man von Kybernetik erster Ordnung. 

Ist das Umfeld aber instabil, der Scope von Projekten unklar und das Umfeld komplex und „lebendig“ sind agile Strukturen zu bevorzugen. Auch die Führungsaufgabe ändert sich heir. Ist ein konkretes Ziel noch nicht definierbar oder ändert es sich innerhalb kurzer Zeit, versagen Zielerreichungsgespräche als Führungsinstrument. Die Aufgabe der Führungskraft wird zunehmend über eine Vision oder Story zu führen, die über reine Zielerreichung hinausgeht. Führungskräfte brauchen in diesem Umfeld die Fähigkeit Sinn zu stiften, Menschen zu vernetzen (anstatt sich auf das Organigramm zu verlassen) und bieten dem Team eine psychologische Sicherheit in dem sie den Rahmen halten und Schritt für Schritt weiterzuentwickeln.

Hier muss der klassische Manager zum Servant Leader werden.

Warum ist das so schwer?

Die Hierarchie im Unternehmen dermaßen auf den Kopf zu stellen ist eine Aufgabe die Führungskräfte oft überfordert. Das Gefühl „sich ins eigene Fleisch zu schneiden“ entsteht. Während agile Unternehmensstrukturen in Start-Ups oft gut funktionieren, da hier noch keine Hierarchien etabliert sind, scheitern Unternehmen daran sich wirklich auf die Herausforderung einzulassen und zu einem „agilen Unternehmen“ zu transformieren. Wieso?

Weil Führungskräfte gerne an der Macht festhalten und noch keine neuen Gewohnheiten etabliert haben. Agile Leadership ist dem Mindset im Entrepreneurship durchaus ähnlich, es geht darum Systeme zu entwickeln und einen psychologisch sicheren Rahmen zu halten, Teams und Mitarbeiter zu befähigen Entscheidungen zu treffen und so eine Basis für Selbstorganisation zu schaffen. 

Agile Transformation heißt nicht, in zwei Pilotprojekten ein Kanban-Board aufzustellen. Agile Teams in nicht agilen Unternehmensstrukturen sind abgekapselt und solche Experimente daher zum Scheitern verurteilt. Führung arbeitet nicht mehr IM System mit den Mitarbeitern, sondern arbeitet AM System, als Rahmengeber und Diener für Mitarbeiter und Kunden.

Abschließend kann man sagen, um die PS der Agilität wirklich auf die Straße zu bringen und wirklich messbar bessere Ergebnisse zu erzielen – braucht es wirkliche Kundenorientierung. Steve Blank (serial entrepreneur) sagte: „the key to startup success is to get out of the building“ frei übersetzen könnte man dies so, um wirklichen Kundenkontakt zu ihren Nutzern herzustellen brauchen sie agile Leaders, die ein Intrapreneur-Mindset haben und agilen Kontexten unternehmerisch Handeln und Denken. 

Wie sieht es aktuell mit ihrem agilen Reifegrad aus? Wie oft sprechen Sie mit Ihren Kunden? Oder wie intensiv begleiten Sie Ihre Kunden (Shadowing) bei der Nutzung ihrer Produkte und Dienstleistungen. Entwickeln Sie mehr Innovationen? Haben Sie bessere wirtschaftliche Ergebnisse?